
Polizeiliche Todesschüsse
Seit der Wiedervereinigung wurden mindestens 373 Personen durch Kugeln der deutschen Polizei getötet.
Wir zählen von 1976 bis 1990 außerdem 153 tödliche Schüsse allein in Westdeutschland.
Jedes Jahr veröffentlicht die Konferenz der Innenminister*innen der Bundesländer eine neue Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch des Vorjahres. Neben Warnschüssen oder Schüssen auf Tiere und Sachen werden auch Polizeikugeln auf Personen und daraus resultierende Todesfälle gezählt.
Die ab 1984 von den Behörden geführte Aufstellung ist jedoch anonym, es wird nicht auf die einzelnen Taten eingegangen. Die Statistik gibt auch keine Auskunft über die Opfer. Seit 1976 dokumentiert die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP deshalb die Hintergründe zu den durch die Polizei verursachten Todesfällen. Dabei sammeln wir Informationen zur Beteiligung von Sondereinheiten, der Zahl jeweils abgegebener Schüsse und der Situation, in der sich die Schussabgabe zutrug.
So ist etwa von Bedeutung, ob die Getöteten selbst bewaffnet waren, sich womöglich in einer psychischen Ausnahmesituation befanden oder, wie es häufig geschieht, in ihrer eigenen Wohnung erschossen wurden.
Chronik
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Mutm. psych. Ausnahmesituation
N.N.
30 Jahre, weiblich
Erschossen am 07.06.2025
In München, Bayern
Bewaffnet mit Messer
Die Frau wurde erschossen, nachdem sie offenbar mehrere Menschen mit einem Messer angegriffen und einen Mann und eine Frau verletzt hatte. Als sie im Bereich der Theresienwiese trotz Aufforderungen durch Polizist*innen nicht zurückwich, eröffneten diese das Feuer. Die Frau wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, wo sie später starb. Die Frau soll wenige Stunden zuvor bereits "auffällig" geworden und gefesselt auf ein Polizeirevier gebracht, dort jedoch wieder entlassen worden sein.
N.N.
47 Jahre, männlich
Erschossen am 31.05.2025
In Schirnding, Bayern
Bewaffnet mit Schusswaffe
Quellen: [1]
Der flüchtige Autofahrer ist nach Angaben der Polizei bei einer Kontrolle in Schirnding im Landkreis Wunsiedel tödlich verletzt worden. Demnach war der 47-Jährige an der Grenze zu Tschechien zu Fuß geflüchtet und habe dabei auf Bundespolizist*innen geschossen. Diese hätten das Feuer erwidert und den Mann tödlich getroffen. Reanimationsversuche blieben laut Polizei ohne Erfolg. Die Polizist*innen seien nicht verletzt worden. Im Nachgang teilte die Polizei mit, der im Raum Mannheim lebende Iraner sei auf dem Rückweg von einer Drogenbeschaffungsfahrt in Tschechien gewesen. Bei ihm sei Crystal Meth gefunden worden.
Lorenz A.
21 Jahre, männlich
Erschossen am 20.04.2025
In Oldenburg, Niedersachsen
Mit 4 Schüssen
Der Schwarze Oldenburger ist nach Angaben der Polizei nach einer Auseinandersetzung in einem Lokal, wo er zwei Sicherheitsdienst-Mitarbeiter sowie zwei Personen mit einem Reizstoff leicht verletzt haben soll, geflüchtet. Eine Verfolgung hätten mehrere Personen abgebrochen, da der 21-Jährige mit einem Messer gedroht haben soll. Als ihn Polizist*innen in einer Straße ansprachen, sei er erneut geflohen. In einer anderen Straße sei er auf eine weitere Streifenwagenbesatzung getroffen, habe sich den Beamt*innen "bedrohlich" genähert und erneut Reizgas versprüht. Ein 27-Jähriger Polizist habe daraufhin geschossen, das Opfer erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Ein Messer - wovon auch in der ersten Pressemitteilung der Polizei die Rede war - wurde zwar bei dem Toten gefunden. Es gebe laut Staatsanwaltschaft aber "keinen Anhaltspunkt darauf" dass er damit den Polizist*innen gedroht hat. Eine Zeugin sagte aus, dass der Mann auf der Flucht von den Beamt*innen in die besagte Straße getrieben worden sei, dann seien die Schüsse gefallen. Laut erstem Obduktionsergebnis haben den jungen Mann drei Schüsse von hinten getroffen, die Verletzungen befinden sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf. Ein vierter Schuss soll ihn am Oberschenkel gestreift haben. Bodycams der Beamt*innen waren während des tödlichen Einsatzes nicht eingeschaltet. Später hieß es seitens der Staatsanwaltschaft nach Auswertungen des Bild- und Tonmaterials, dass kein Warnschuss abgegeben wurde. Die eingesetzten Beamt*innen hätten A. aber „unter Vorhalt der Schusswaffen“ lautstark zum Anhalten aufgefordert.
Verletzte/getötete Beamte
N.N.
64 Jahre, männlich
Erschossen am 16.04.2025
In Hilzingen, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Hiebwaffe
Quellen: [1]
Der Mann soll mit einer Axt auf ein Auto eingeschlagen haben, in dem ein Kind saß. Mutter und Kind konnten sich unverletzt in Sicherheit bringen. Beim Eintreffen der Polizei soll der Mann auch die Einsatzkräfte mit der Axt angegriffen und eine Beamtin leicht verletzt haben. Die Polizist*innen gaben daraufhin mehrere Schüsse ab; der Mann wurde getroffen und starb noch vor Ort.
N.N.
43 Jahre, männlich
Erschossen am 13.04.2025
In Berlin
Mit 4 Schüssen
Bewaffnet mit Stichwaffe
Der Mann wurde nach einer Verfolgung von Polizist*innen durch Schüsse schwer verletzt und starb später im Krankenhaus. Beamt*innen hatten ihn gestellt, nachdem er aus einem U-Bahnhof geflohen war. Als er die Einsatzkräfte mit einem Messer bedrohte, eröffneten diese das Feuer. Zwei Schüsse trafen den Mann in Kniehöhe, jeweils einer am Oberkörper und Hals. Der Schwerverletzte wurde noch vor Ort reanimiert und anschließend notoperiert. Zuvor hatte der syrische Staatsbürger im U-Bahnhof nach einem kurzen Streit einen 29-Jährigen mit einem Messer tödlich verletzt.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
N.N.
48 Jahre, männlich
Erschossen am 09.04.2025
In Schramberg, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Gas-/ Schreckschusswaffe
Eine neurologische Fachklinik in Rottweil soll den Mann laut Polizei als abgängig gemeldet haben. Im Zuge umgehend eingeleiteter Suchmaßnahmen sei er zunächst im Garten seiner Wohnung angetroffen worden. Dort habe "direkt die Schusswaffe in Richtung der Polizeibeamten" gerichtet - es handelte sich aber um eine Schreckschusswaffe, wie später berichtet wurde. Mehrfache Aufforderungen, die Waffe wegzulegen, habe der Mann ignoriert. "Im weiteren Verlauf des Einsatzes kam es zum polizeilichen Schusswaffengebrauch, bei dem der Mann getroffen wurde", formuliert die Polizei vage. Er verstarb vor Ort. Gegen das Opfer seien in der Vergangenheit wegen Rohheits- und Eigentumsdelikten sowie wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz mehrere Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden.
Innenraum
N.N.
51 Jahre, männlich
Erschossen am 17.03.2025
In Herne, Nordrhein-Westfalen
Mit 4 Schüssen
Bewaffnet mit Stichwaffe
Wie drei Tage zuvor in Dortmund beschreibt die NRW-Polizei den Mann als "Randalierer". Er soll Gegenstände aus dem Fenster seiner Wohnung im zweiten Obergeschoss geworfen haben, darunter auch Gläser, und anschließend im Hausflur eine Nachbarin bedroht haben. Im Rahmen eines Einsatzes sei dieser mit einem Messer "auf die eingesetzten Polizeibeamten los[gegangen]". Von vier abgegeben Schüssen trafen den Mann zwei – einer davon im Brustbereich und einer im Unterkörper. Nach den Schüssen wurde er notärztlich versorgt, verstarb aber noch vor Ort. Zwei am Einsatz beteiligte Polizisten hatten ihre Bodycams eingeschaltet.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Najib Boubaker
70 Jahre, männlich
Erschossen am 14.03.2025
In Dortmund, Nordrhein-Westfalen
Bewaffnet mit Stichwaffe
Im Rahmen eines Einsatzes von Sanitäter*innen der Feuerwehr wurde die Polizei nach eigenen Angaben "zur Unterstützung zu einem Randalierer hinzugezogen". Im Verlauf des Einsatzes sei es dann zu dem "Gebrauch der dienstlichen Schusswaffe" gekommen. Der Mann habe Rettungskräfte mit einem Messer bedroht, was Nachbar*innen aber vehement bestreiten. Er wurde durch die Schüsse schwer verletzt und starb noch vor Ort. Nachbar*innen stellen den Polizeieinsatz deutlich anders dar. Demnach war der Mann Epileptiker und habe sich geweigert, in ein Krankenhaus gebracht zu werden.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Nach Angaben der ermittelnden Behörden erschienen Beamt*innen am Morgen gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Sozialdienstes an der Wohnung des Mannes. Dieser habe den Zutritt verweigert und durch ein geöffnetes Fenster eine Schusswaffe präsentiert, woraufhin die Polizeibeamten von ihrer Dienstwaffe Gebrauch machten. Trotz Rettungsmaßnahmen verstarb der Mann noch am Einsatzort. Die beteiligten Polizeibeamt*innen sowie die Mitarbeiterin des Sozialdienstes blieben unverletzt.
SEK-Beteiligung
Innenraum
N.N.
26 Jahre, männlich
Erschossen am 07.03.2025
In Schönebeck, Sachsen-Anhalt
Bewaffnet mit Stichwaffe
In einem Mehrfamilienhaus soll der 26-Jährige afghanischer Herkunft zunächst einen gleichaltrigen Deutschen und einen anderen Menschen aus Afghanistan bedroht haben. Als nach zwei Notrufen Polizei eintraf, soll der Verdächtige ein 16 Zentimeter langes Messer gegen die Beamt*innen gerichtet und sie angegriffen haben. Der Einsatz von Pfefferspray blieb laut Polizei wirkungslos. Der Mann zog sich daraufhin in seine Wohnung zurück und schloss die Tür, woraufhin das Mehrfamilienhaus geräumt wurde. Die Einsatzkräfte versuchten nach eigener Auskunft auf Deutsch und Englisch Kontakt aufzunehmen, ein Dolmetscher wurde demnach nicht hinzugezogen. Um 3:07 Uhr wurde ein Durchsuchungsbeschluss erlassen, um 4:51 Uhr erfolgte der Zugriff durch ein SEK. Der Mann soll sich dabei mit einem Messer auf die Beamten zubewegt haben. Diese gaben drei Warnschüsse ab und schossen dann zweimal auf ihn. Das Opfer erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Innenraum
Qabel
38 Jahre, männlich
Erschossen am 04.03.2025
In Nürnberg, Bayern
Bewaffnet mit Stichwaffe
Bei der Vollstreckung eines Haftbefehls soll sich der Gesuchte nach Angaben der Polizei in seiner Wohnung mit einem Küchenmesser bewaffnet und der Festnahme widersetzt haben. Im Zuge der Auseinandersetzung habe ein Beamter seine Schusswaffe eingesetzt. Trotz Reanimationsversuchen verstarb der Mann noch vor Ort.
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
N.N.
48 Jahre, männlich
Erschossen am 16.02.2025
In Eichstetten, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Schusswaffe
Quellen: [1]
Die Beamten waren laut polizeilicher Darstellung gegen 23 Uhr zu einem häuslichen Gewaltdelikt gerufen worden, nachdem sich eine 47-jährige Frau über Notruf gemeldet hatte. Der Mann hatte offenbar zuvor seine Lebensgefährtin und das gemeinsame 10-jährige Kind geschlagen. Als sich beide in einem Zimmer einschlossen, randalierte der Mann in der Wohnung und gab einen Schuss durch die verschlossene Zimmertür ab. Mit Hilfe eines Nachbarn konnte das Kind aus dem Zimmer flüchten. Als Polizeikräfte eintrafen, bewegte sich der bewaffnete Mann angeblich auf der Straße. Trotz mehrfacher Aufforderungen weigerte er sich, seine Schrotflinte niederzulegen und bedrohte damit die Beamt*innen. Diese schossen daraufhin auf den Mann, der schließlich im Krankenhaus verstarb. Er war bereits wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung und das Waffengesetz aktenkundig.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Innenraum
N.N.
48 Jahre, männlich
Erschossen am 13.01.2025
In Bruchsal, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Hiebwaffe, Stichwaffe
Quellen: [1]
Der Mann sollte mit Unterstützung der Beamt*innen aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses des Amtsgerichts Karlsruhe von seinem Wohnort in eine psychiatrische Klinik gebracht werden. Er habe auf vorheriges Klingeln und Klopfen nicht reagiert und die Polizist*innen "unmittelbar" angegriffen, "nachdem die Polizeibeamten die Wohnungstüre von außen geöffnet hatten", erklärten die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Dabei sei er mit einem Messer und einem Fleischerbeil bewaffnet gewesen. "Es kam zum Einsatz eines Polizeihundes und zum polizeilichen Schusswaffengebrauch", so die Mitteilung. Der Getroffene verstarb noch vor Ort.
Die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP liefert seit 1978 kritische Analysen zur Politik und Praxis Innerer Sicherheit in Deutschland und Europa.
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Umgesetzt von Johannes Filter und Matthias Monroy
basierend auf jahrzehntelangen Recherchen von
Otto Diederichs und der Bürgerrechte & Polizei/CILIP-Redaktion.
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Otto Diederichs und der Bürgerrechte & Polizei/CILIP-Redaktion.