Polizeiliche Todesschüsse

Seit der Wiedervereinigung wurden mindestens 333 Personen durch Kugeln der deutschen Polizei getötet.

Wir zählen von 1976 bis 1990 außerdem 153 tödliche Schüsse allein in Westdeutschland.
Jedes Jahr veröffentlicht die Konferenz der Innenminister*innen der Bundesländer eine neue Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch des Vorjahres. Neben Warnschüssen oder Schüssen auf Tiere und Sachen werden auch Polizeikugeln auf Personen und daraus resultierende Todesfälle gezählt.
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Die ab 1984 von den Behörden geführte Aufstellung ist jedoch anonym, es wird nicht auf die einzelnen Taten eingegangen. Die Statistik gibt auch keine Auskunft über die Opfer. Seit 1976 dokumentiert die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP deshalb die Hintergründe zu den durch die Polizei verursachten Todesfällen. Dabei sammeln wir Informationen zur Beteiligung von Sondereinheiten, der Zahl jeweils abgegebener Schüsse und der Situation, in der sich die Schussabgabe zutrug.
So ist etwa von Bedeutung, ob die Getöteten selbst bewaffnet waren, sich womöglich in einer psychischen Ausnahmesituation befanden oder, wie es häufig geschieht, in ihrer eigenen Wohnung erschossen wurden.
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Chronik

zeige 8 von 486 polizeilichen Todesschüsse
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an 8 von 281 Orten
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Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
Innenraum
N.N.
35 Jahre, männlich
Erschossen am 26.12.2021
In Herford, Nordrhein-Westfalen
Bewaffnet mit Gas-/ Schreckschusswaffe
Quellen: [1][2][3][4]
Eine Frau ruft laut Medienberichten wegen häuslicher Gewalt die Polizei, ihr Freund habe sie in ihrer Wohnung mit einer Stichwaffe verletzt. In Gegenwart der Polizist*innen zieht dieser demnach eine Schusswaffe; die Beamt*innen schießen daraufhin und verletzen den Mann schwer. Am 28. Dezember stirbt er im Krankenhaus, laut einer Presseerklärung der Staatsanwaltschaft und der Polizei Bielefeld sind die Schussverletzungen ursächlich. Die vermeintliche Schusswaffe stellt sich als Schreckschusspistole heraus.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
Kamal Ibrahim
40 Jahre, männlich
Erschossen am 03.10.2021
In Stade, Niedersachsen
Mit 11 Schüssen
Bewaffnet mit Stichwaffe
Quellen: [1][2][3]
Laut der Staatsanwaltschaft Stade seien Polizeikräfte zweimal in die Geflüchtetenunterkunft gerufen worden, weil der alkoholisierte Mann andere Personen bedroht habe. Die Situation habe sich aber jeweils beruhigen lassen, sodass auf eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt verzichtet wurde. Das spätere Opfer sei sogar von sich aus mit auf die Polizeiwache gefahren und habe dort etwa dreieinhalb Stunden in einer Ausnüchterungszelle verbracht. Kurz vor Mitternacht führt dann der dritte Einsatz zum Tod. Der aus dem Sudan Geflüchtete greift die alarmierten Po­li­zis­t*in­nen angeblich mit einem Messer an, diese schießen daraufhin. Die Staatsanwaltschaft Stade stellt ein Ermittlungsverfahren gegen vier Polizist:innen wegen des Verdachts des Totschlags mangels hinreichenden Tatverdachts im März 2022 ein.
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
Abdul I.
39 Jahre, männlich
Erschossen am 25.08.2021
In Groß-Gerau, Hessen
Bewaffnet mit Stichwaffe
Quellen: [1]
Eine alarmierte Polizeistreife schiesst auf den Mann und trifft ihn fünf Mal, dieser stirbt schwer verletzt während der Versorgung durch einen Notarzt. Er soll laut der Staatsanwaltschaft in Darmstadt seine Frau, seine Schwiegermutter und zwei Nachbarn mit einem Messer verletzt haben. Die Familie widerspricht den Berichten, wonach der Mann gewalttätig gewesen sei.
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
N.N.
45 Jahre, männlich
Erschossen am 24.06.2021
In Freudenstadt, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Stichwaffe
Quellen: [1]
Eine Frau ruft die Polizei wegen häuslicher Gewalt. Während diese noch versucht den Konflikt zu schlichten, zieht der Mann plötzlich ein Messer und greift die Beamt*innen an. Ein Polizist gibt daraufhin mehrere Schüsse auf ihn ab; der Mann stirbt noch vor Ort.
SEK-Beteiligung
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Innenraum
Soner Atasoy
41 Jahre, männlich
Erschossen am 22.06.2021
In Frankfurt am Main, Hessen
Bewaffnet mit Schusswaffe, Stichwaffe
Die Polizei wird wegen einer „Gefährdungslage“ in einem Wohnhaus alarmiert. Als die Beamt*innen eintreffen, stoßen sie dort angeblich auf einen mit einer Schusswaffe und einem Messer bewaffneten Mann, der sie angreift. Diese Darstellung wird jedoch von der Anwältin der Angehörigen bestritten, der Mann hat demnach ein Taschenmesser lediglich in seiner Weste stecken und mit den Beamt*innen sogar gescherzt. Dennoch werden mehrere Schüsse auf ihn abgegeben, der Mann zieht sich nach einem Gerangel, in dem er einem Polizist die Waffe entreißen kann, in seine Wohnung zurück. Ein SEK wird hinzugezogen; dieses findet ihn leblos auf. Die Obduktion ergibt, dass der Mann an einem polizeilichen Schuss in die Seite verblutet ist.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Innenraum
N.N.
35 Jahre, männlich
Erschossen am 13.06.2021
In Wuppertal, Nordrhein-Westfalen
Bewaffnet mit Stichwaffe
Quellen: [1][2]
Die Polizei wird gerufen, weil in einem Mehrfamilienhaus ein Mann seine Nachbar*innen bedroht. Als Polizist*innen in seine Wohnung eindringen, werden sie nach Darstellung der Staatsanwaltschaft mit einem Messer beworfen und dann mit einem Knüppel und einem „anderen Gegenstand“ angegriffen. Ein Beamter gibt daraufhin Schüsse aus einer Maschinenpistole auf den Mann ab, drei davon treffen ihn tödlich. Die Bodycam eines Beamten zeichnet die Tat auf.
SEK-Beteiligung
Omar K.
36 Jahre, männlich
Erschossen am 28.05.2021
In Hamburg
Bewaffnet mit Stichwaffe
Quellen: [1]
Ein Geflüchteter aus dem Libanon bedroht Umstehende mit einem Messer und randaliert, die eintreffende Polizei empfängt er angeblich mit Rufen „Allahu Akbar“. Die Beamt*innen setzen zunächst Pfefferspray gegen ihn ein, ein in der Nähe befindliches SEK-Kommando versucht ihn mit einem Taser zu stoppen. Da er die Polizei angeblich weiter bedroht, gibt ein Polizeibeamter mehrere Schüsse auf den Mann ab, er stirbt vor Ort.
Schusswechsel
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
Innenraum
N.N.
65 Jahre, männlich
Erschossen am 06.01.2021
In Mülheim/Ruhr, Nordrhein-Westfalen
Bewaffnet mit Schusswaffe
Quellen: [1]
Die Polizei wird gerufen, weil in einem Mehrfamilienhaus „laute Knallgeräusche“ gehört werden. Als die Beamt*innen ankommen, treffen sie im Hausflur auf einen Mann mit einer Pistole. Bei dem anschließenden Schusswaffengebrauch wird der Mann tödlich getroffen und verstirbt vor Ort.
Die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP liefert seit 1978 kritische Analysen zur Politik und Praxis Innerer Sicherheit in Deutschland und Europa.
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