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Polizeiliche Todesschüsse

Seit der Wiedervereinigung wurden mindestens 359 Personen durch Kugeln der deutschen Polizei getötet.

Wir zählen von 1976 bis 1990 außerdem 153 tödliche Schüsse allein in Westdeutschland.
Jedes Jahr veröffentlicht die Konferenz der Innenminister*innen der Bundesländer eine neue Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch des Vorjahres. Neben Warnschüssen oder Schüssen auf Tiere und Sachen werden auch Polizeikugeln auf Personen und daraus resultierende Todesfälle gezählt.
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Die ab 1984 von den Behörden geführte Aufstellung ist jedoch anonym, es wird nicht auf die einzelnen Taten eingegangen. Die Statistik gibt auch keine Auskunft über die Opfer. Seit 1976 dokumentiert die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP deshalb die Hintergründe zu den durch die Polizei verursachten Todesfällen. Dabei sammeln wir Informationen zur Beteiligung von Sondereinheiten, der Zahl jeweils abgegebener Schüsse und der Situation, in der sich die Schussabgabe zutrug.
So ist etwa von Bedeutung, ob die Getöteten selbst bewaffnet waren, sich womöglich in einer psychischen Ausnahmesituation befanden oder, wie es häufig geschieht, in ihrer eigenen Wohnung erschossen wurden.

Chronik

zeige 9 von 512 polizeilichen Todesschüsse
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Mutm. psych. Ausnahmesituation
N.N.
31 Jahre, männlich
Erschossen am 23.04.2024
In Mannheim, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Hiebwaffe
Quellen: [1][2][3]
Laut einer ersten Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft soll sich der mit einer Machete bewaffnete Mann, gegen den bereits ein Hausverbot vorgelegen haben soll, im Bereich der Universitätsbibliothek aufgehalten haben. Bereits vor Eintreffen der Streifenwagenbesatzung sei er gegen eine Angestellte der Bibliothek handgreiflich geworden. "In der Folge kam es zu einer Bedrohungslage gegenüber den Einsatzkräften, welche im weiteren Verlauf von ihrer Schusswaffe Gebrauch machen mussten", heißt es dazu vage. Der Angeschossene verstarb schließlich im Krankenhaus. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Ertekin Özkan
49 Jahre, männlich
Erschossen am 23.12.2023
In Mannheim, Baden-Württemberg
Mit 4 Schüssen
Bewaffnet mit Stichwaffe
Der Mann soll den Notruf gewählt und angegeben haben, eine Straftat begangen zu haben, offenbar hatte er sich mit einem Messer selbst verletzt. Eine daraufhin eingetroffene Streife mit drei Beamten sei von dem 49-Jährigen auf der Straße mit dem Messer bedroht worden. "Im Verlauf des Einsatzgeschehens machten die Einsatzkräfte von ihrer Schusswaffe Gebrauch", schreiben Staatsanwaltschaft und Polizei. Der Mann wurde von vier Schüssen getroffen. Berichten zufolge hat die Polizei den Sterbenden anschließend umgedreht und ihm Handschellen angelegt. Erst danach hätten die Beamten Reanimationsmaßnahmen durchgeführt, der Verletzte starb schließlich im Krankenhaus. Ein in Sozialen Medien kursierendes Video zeigt den Mann mit nacktem Oberkörper vor drei Polizeibeamten. Diese fordern ihn auf, sein Messer wegzulegen. Als er daraufhin langsam auf die Beamten zugeht, fallen vier Schüsse. Laut BILD-Zeitung habe der Tote einen "türkischen Migrationshintergrund". Die 18-jährige Tochter des verstorbenen Mannes erklärte dem SWR, ihr Vater habe schon immer psychische Probleme gehabt, dies sei auch der Polizei bekannt gewesen. Ihr zufolge hätte er "niemandem etwas angetan". Die Angehörigen sollen die Polizei bei dem Einsatz angefleht haben, dass die Mutter und auch die Schwester den Mann während seiner Ausnahmesituation beruhigen wollten, auch ein Onkel wurde dazu herbeigerufen. Die Polizei habe dies verhindert. Am 29. Mai 2024 hat die Staatsanwaltschaft Mannheim die Ermittlungen gegen den Polizisten, der Ertekin Ö. erschossen hat, "wegen erwiesener Unschuld" eingestellt. Er habe auf den 49-jährigen Mann in Notwehr geschossen. Das LKA hatte im Rahmen seiner Ermittlungen umfangreiches Material gesammelt, darunter mehrere Handyvideos.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
Innenraum
N.N.
31 Jahre, männlich
Erschossen am 10.05.2022
In Mannheim, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Stichwaffe
Quellen: [1][2]
Wegen häuslicher Gewalt wird die Polizei zu einem Einsatz gerufen, im Streit mit seiner Mutter soll der Mann gedroht haben, sich selbst zu töten und sich erhebliche Schnitt- und Stichverletzungen beigebracht haben. Die Polizistinn*en hätten versucht, ihn mit Reizgas zu überwältigen. Als das nicht gelang, soll eine "gezielte Schussabgabe in das Bein des 31-Jährigen" erfolgt sein. Kurz darauf starb der Mann. In der Woche zuvor war in Mannheim bereits ein 47-Jähriger nach einer Polizeikontrolle im Krankenhaus gestorben.
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Innenraum
N.N.
44 Jahre, männlich
Erschossen am 15.12.2019
In Mannheim, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Stichwaffe
Quellen: [1]
Die Polizei wird von Angehörigen alarmiert, dass ein Mann in einem „psychischen Ausnahmezustand“ in der Wohnung randaliert und sich selbst mit einem Messer verletzt. Als die Polizist­*innen und Rettungssanitäter*innen in der Wohnung eintreffen, greift er diese mit dem Messer an. Die Beamt*innen schießen und verletzen den Mann schwer; er stirbt im Krankenhaus.
SEK-Beteiligung
Verletzte/getötete Beamte
Mutm. psych. Ausnahmesituation
Innenraum
N.N.
37 Jahre, männlich
Erschossen am 07.09.2011
In Mannheim, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Brandsatz
Quellen: [1]
Ein geistig verwirrter Mann, der zum Amtsarzt gebracht werden soll, attackiert die Polizist*innen, die ihn abholen sollen, mit einem Brandsatz und verletzt einen von ihnen schwer. Der Mann, der sich in seiner Wohnung verbarrikadiert hat, wirft aus dem Fenster weitere Brandsätze auf die Polizist*innen, die sich auf die Straße zurückgezogen haben. Diese schießen auf den Mann. Als Beamte des hinzu gerufenen SEK die Wohnung stürmen, finden sie ihn mit einem Brustschuss tot vor.
Schusswechsel
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
N.N.
22 Jahre, männlich
Erschossen am 03.04.2001
In Mannheim, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Stichwaffe, Gas-/ Schreckschusswaffe
Quellen: auf Anfrage
Nach einem Streit, bei dem der Täter seine Mutter und einen Nachbarn mit einem Messer lebensgefährlich verletzt, geht er in seine Wohnung im Nachbarhaus zurück. Als herbeigerufene Polizeibeamt*innen ihn auffordern, heraus zu kommen, schießt er aus seinem Fenster auf diese. Daraufhin erwidern drei Beamt*innen das Feuer und treffen ihn drei Mal in den Oberkörper. Der Mann stirbt kurz darauf im Krankenhaus.
Schusswechsel
Mutm. famil. oder häusl. Gewalt
Innenraum
N.N.
22 Jahre, männlich
Erschossen am 04.04.2000
In Mannheim, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Stichwaffe, Gas-/ Schreckschusswaffe
Quellen: auf Anfrage
Während eines Familienstreits verletzt ein junger Mann seine Mutter mit einem Messer lebensgefährlich. Danach sticht er auf einen Nachbarn ein. Als die alarmierte Polizei eintrifft, schießt er aus dem Fenster auf die Beamt*innen. Diese schießen zurück und töten ihn mit drei Schüssen in den Oberkörper.
SEK-Beteiligung
Verletzte/getötete Beamte
Unbeabsichtigte Schussabgabe
Innenraum
N.N.
32 Jahre, männlich
Erschossen am 20.04.1993
In Mannheim, Baden-Württemberg
Mit einem Schuss
Bewaffnet mit Schusswaffe
Quellen: auf Anfrage
Der Polizist wurde beim Einsatz gegen mutmaßliche ausländische Waffenhändler unbeabsichtigt durch einen Schuss aus der Waffe eines Kollegen getötet. Die Beamten der Schutz- und Kriminalpolizei sowie des Sondereinsatzkommandos Baden-Württemberg hatten mehrere Wohnungen in Mannheim durchsucht, als es zu einem Handgemenge mit zwei Verdächtigen kam, die angeblich erheblichen Widerstand leisteten. Bei diesem Handgemenge löste sich vermutlich ein Schuss aus einer Dienstpistole. Das Projektil durchschlug zunächst den Oberarm eines mutmaßlichen Täters und drang dann durch die Ärmelöffnung der Schutzweste des Polizisten in seinen Oberkörper ein. Der Polizist starb noch am Einsatzort. Sein Kollege, aus dessen Waffe sich der Schuss gelöst hatte, erlitt einen Schock. Der getötete Polizist war nicht unbekannt; er hatte bereits eine Liste von Vorstrafen in seiner Akte.
Schusswechsel
N.N.
39 Jahre, männlich
Erschossen am 26.12.1989
In Mannheim, Baden-Württemberg
Bewaffnet mit Schusswaffe
Quellen: auf Anfrage
Die Polizei wurde durch einen 45-jährigen Anwohner alarmiert, der sich nach einem Streit in einer Gaststätte von mehreren Personen bedroht fühlte. Beim Eintreffen der Beamten am Wohnhaus eskalierte die Situation. Zunächst warf ein 28-jähriger Verdächtiger eine geladene Schrotflinte unter ein geparktes Auto und versuchte zu flüchten, wurde jedoch von den Beamten festgenommen. Eine Durchsuchung des Hofes führte zur Festnahme eines 27-jährigen Mannes, in dessen Nähe eine abgesägte Schrotflinte gefunden wurde. Während der weiteren Ermittlungen eröffnete ein 39-jähriger Mann plötzlich das Feuer auf die Beamten, indem er mit einer großkalibrigen Pistole auf sie schoss. Nach Angaben der Polizei versuchte er, sich mit Gewalt einen Fluchtweg zu bahnen. Die Polizisten erwiderten das Feuer und trafen den Mann mehrfach. Er starb noch am Tatort.
Die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP liefert seit 1978 kritische Analysen zur Politik und Praxis Innerer Sicherheit in Deutschland und Europa.
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